BGH v. 23.1.2024 - I ZR 147/22

Anschwärzung: Kollektive Anspruchsdurchsetzung durch Wirtschaftsverbände

Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass stets allein die in ihrem individuellen Schutzinteresse betroffenen Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen einer (möglichen) Anschwärzung gem. § 4 Nr. 2 UWG befugt sind. Eine kollektive Anspruchsdurchsetzung durch Wirtschaftsverbände i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist vielmehr dann zulässig, wenn sich die Anschwärzung nicht lediglich gegen einen individualisierten Mitbewerber, sondern gegen eine Mehrheit von Mitbewerbern richtet, und zumindest einer der betroffenen Mitbewerber Mitglied des klagenden Verbands ist.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Fachverband, in dem Hersteller von Eindrehpapieren und -filtern für Zigaretten zusammengeschlossen sind. Entsprechend seiner Satzung nimmt er die kollektiven gewerblichen Interessen seiner Mitglieder wahr. Einige seiner Mitglieder sind auf dem deutschen Markt tätig. Die in Deutschland ansässige Beklagte zu 1) vertreibt weltweit und auch in Deutschland Raucherbedarfsartikel an Groß- und Einzelhändler. Ihr wichtigstes Produkt ist Eindrehpapier für Zigaretten mit der Bezeichnung "R. ".

Klickte der Internetnutzer im Jahr 2018 im Internetauftritt der Beklagten zu 1) "www. .com" die Kachel mit der Bezeichnung "R. " an, wurde er auf die Internetseite "www. .com" weitergeleitet, auf der der Instagram-Account "r. 7" verlinkt war. Diesen Instagram-Account betreibt der in den USA wohnhafte Beklagte zu 2), der damals Geschäftsführer der Beklagten zu 1) war. Er veröffentlichte im Jahr 2018 dort - und auch auf dem Instagram-Account "r." - ein englischsprachiges Video. Der Kläger beanstandet die in dem Video enthaltenen Aussagen über die Zigaretten-Eindrehpapiere anderer Hersteller:

"- It had chalk in it.
- It had bleach in it.
- It had E150c in it.
- Other papers when they want them to look like "R. " […] just naturally brown, […] it has none of this shit in it, so what they do is they basically sell you the same papers, substantially similar to the ones they sold your parents in the 80s, they just add more brown dye."


Nach einem Verfahren der einstweiligen Verfügung nahm der Kläger die Beklagten auch in der Hauptsache unter Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform auf Unterlassung dieser Aussagen in englischer und deutscher Sprache in Anspruch.

LG und OLG gaben der Klage statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Lediglich die erstinstanzliche Kostenentscheidung ist geringfügig zu ändern.

Das OLG hat zu Recht angenommen, dass die deutschen Gerichte international zuständig sind und der Kläger prozessführungsbefugt ist. Entgegen der Auffassung der Revision ist die Vorschrift des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass stets allein die in ihrem individuellen Schutzinteresse betroffenen Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG) zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen einer (möglichen) Anschwärzung gem. § 4 Nr. 2 UWG befugt sind. Eine kollektive Anspruchsdurchsetzung durch Wirtschaftsverbände i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist vielmehr dann zulässig, wenn sich diese nicht lediglich gegen einen individualisierten Mitbewerber, sondern gegen eine Mehrheit von Mitbewerbern richtet, und zumindest einer der betroffenen Mitbewerber Mitglied des klagenden Verbands ist.

Dass eine teleologische Reduktion des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG nicht angezeigt ist, folgt nicht zuletzt daraus, dass der Tatbestand der Anschwärzung nach § 4 Nr. 2 UWG zwar vorrangig den betroffenen Mitbewerber vor unwahren geschäftsschädigenden Äußerungen bewahren soll, aber - zumindest mittelbar - auch das Allgemeininteresse an einem unverfälschten Wettbewerb. Auch vor diesem Hintergrund stellt die Annahme der in § 8 Abs. 2 Nr. 3 UWG geregelten Verbandsklagebefugnis den Regelfall und deren teleologische Reduktion den Ausnahmefall dar. Sind mehrere Mitbewerber betroffen und ist zumindest einer der betroffenen Mitbewerber verbandsangehörig, setzt sich die auch im Allgemeininteresse liegende Verbandsklagebefugnis gegenüber der Dispositionsfreiheit der betroffenen Mitbewerber durch.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 05.02.2024 12:07
Quelle: BGH online

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