Digital Services Act: Kommission eröffnet förmliches Verfahren gegen X

Die Europäische Kommission hat im Rahmen des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) erstmals ein förmliches Verfahren eingeleitet, und zwar gegen die Plattform X. Sie prüft, ob X in den Bereichen Risikomanagement, Inhaltsmoderation, Dark Patterns, Werbetransparenz und den Zugang zu Daten für Forscherinnen und Forscher gegen den DSA verstoßen hat.

Margrethe Vestager, Exekutiv-Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, erklärte: „Je größer das Risiko ist, das große Plattformen für unsere Gesellschaft darstellen, desto spezifischer sind die Anforderungen des Gesetzes über digitale Dienste. Wir nehmen jeden Verstoß gegen unsere Vorschriften sehr ernst. Und die Beweise, die uns derzeit vorliegen, reichen aus, um ein förmliches Verfahren gegen X einzuleiten.“

Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton sagte: „Die Eröffnung des förmlichen Verfahrens gegen X macht deutlich, dass mit dem DSA die Zeiten vorbei sind, in denen die großen Online-Plattformen sich so verhalten können, als seien sie ´zu groß, um sich zu kümmern´. Wir haben jetzt klare Regeln, Vorabverpflichtungen, eine strenge Aufsicht, eine rasche Durchsetzung und abschreckende Sanktionen. Und wir werden unser Instrumentarium voll ausschöpfen, um unsere Bürgerinnen und Bürger und unsere Demokratien zu schützen. Wir werden nun eingehend untersuchen, inwiefern X die DSA-Verpflichtungen in Bezug auf die Bekämpfung der Verbreitung und Verstärkung illegaler Inhalte und Desinformationen in der EU, die Transparenz der Plattformen und die Gestaltung der Benutzeroberfläche einhält.“

Der Beschluss der Kommission für ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen X basiert auf der bisher durchgeführten Voruntersuchung, einschließlich einer Analyse des von X im September vorgelegten Risikobewertungsberichts, dem am 3. November veröffentlichten Transparenzbericht von X und der Antworten von X auf ein förmliches Auskunftsersuchen, das unter anderem die Verbreitung illegaler Inhalte im Zusammenhang mit den Terroranschlägen der Hamas gegen Israel betraf.

Das Verfahren wird sich auf die folgenden Bereiche konzentrieren:

  • Die Einhaltung der DSA-Verpflichtungen in Bezug auf die Bekämpfung der Verbreitung illegaler Inhalte in der EU, insbesondere in Bezug auf die von X ergriffenen Maßnahmen zur Risikobewertung und -minderung, um der Verbreitung illegaler Inhalte in der EU entgegenzuwirken, sowie das Funktionieren des durch die DSA vorgeschriebenen Melde- und Aktionsmechanismus für illegale Inhalte in der EU, auch im Hinblick auf die Ressourcen von X zur Moderation von Inhalten.
     
  • Die Wirksamkeit der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Informationsmanipulation auf der Plattform ergriffen wurden, insbesondere die Wirksamkeit des so genannten „Community Notes“-Systems von X in der EU und die Wirksamkeit der damit zusammenhängenden Maßnahmen zur Minderung der Risiken für den zivilen Diskurs und die Wahlprozesse.
     
  • Die von X ergriffenen Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz seiner Plattform. Die Untersuchung betrifft mutmaßliche Unzulänglichkeiten beim Zugang von Forscherinnen und Forschern zu den öffentlich zugänglichen Daten von X, wie in Artikel 40 des DSA vorgeschrieben, sowie Unzulänglichkeiten im Anzeigen-Repository von X.
     
  • Es besteht der Verdacht, dass die Benutzeroberfläche irreführend gestaltet ist, insbesondere in Bezug auf die mit bestimmten Abonnementprodukten verbundenen Häkchen, die so genannten Blue Checks.


Sollten sich diese Versäumnisse bewahrheiten, würden sie gegen Artikel 34 (1), 34 (2) und 35 (1), Artikel 16 (5) und (6), Artikel 25 (1), Artikel 39 und Artikel 40 (12) des DSA verstoßen.

Die Einleitung eines förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens greift dessen Ergebnis nicht vor.

Nächste Schritte

Nach der nun erfolgten förmlichen Eröffnung des Verfahrens wird die Kommission weiterhin Beweise sammeln, beispielsweise durch zusätzliche Auskunftsersuchen, Befragungen oder Nachprüfungen.

Die DSA sieht keine gesetzliche Frist für die Beendigung eines förmlichen Verfahrens vor. Die Dauer einer eingehenden Untersuchung hängt von einer Reihe von Faktoren ab, unter anderem von der Komplexität des Falles, dem Umfang der Zusammenarbeit des betroffenen Unternehmens mit der Kommission und der Ausübung seiner Verteidigungsrechte.

Die Einleitung eines förmlichen Vertragsverletzungsverfahrens greift dem Ausgang des Verfahrens nicht vor.

Hintergrund

X (ehemals Twitter) wurde am 25. April 2023 im Rahmen des EU-Gesetzes über digitale Dienste als sehr große Online-Plattform (Very Large Online Platform, VLOP) eingestuft, nachdem das Unternehmen der Kommission am 17. Februar 2023 mitgeteilt hatte, dass es 112 Millionen monatlich aktive Nutzer in der EU hat.

Als VLOP muss X seit vier Monaten nach seiner Ernennung eine Reihe von Verpflichtungen erfüllen, die in der DSA festgelegt sind.

Mehr zum Thema:

Aufsatz:
Rechtsdurchsetzung von „meldenden Personen“ gegenüber Online-Plattformen nach dem DSA
Johanna Götz, CR 2023, 450

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.12.2023 18:14
Quelle: Europäische Kommission PM vom 18.12.2023

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